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Fraktal – Verloren im Mikrokosmos

In einer Zeit, in der Science-Fiction-Hörspiele häufig im Schatten ihrer visuell orientierten Film- und Serienpendants stehen, ist es eine besondere Freude, auf Produktionen zu stoßen, die es schaffen, durch Atmosphäre, Tiefe und Originalität herauszustechen. Fraktal – Verloren im Mikrokosmos, das erste Hörspiel der gleichnamigen Reihe von Gigaphon, ist ein solches Werk. Es entführt die Hörer nicht in ferne Galaxien, sondern in eine unbekannte Welt, die paradoxerweise in der Nähe liegt: dem Mikrokosmos.

Die Geschichte – Mikro statt Makro

Im Zentrum der Handlung steht der britische Enthüllungsjournalist Jason Jublonsky, der von der geheimnisvollen Forschungseinrichtung CET eingeladen wird, um ein revolutionäres wissenschaftliches Projekt zu dokumentieren. Was zunächst wie eine gewöhnliche Reportage beginnt, entpuppt sich als Reise ins Unvorstellbare. Die Forscher präsentieren ihm ein Raumschiff namens Skyclad, das nicht wie gewohnt den Weltraum durchqueren, sondern in die Tiefen des Mikrokosmos vorstoßen soll.

Bereits dieses Konzept ist ein Alleinstellungsmerkmal der Serie. Anstatt sich wie unzählige Science-Fiction-Geschichten mit dem Weltraum, der Zukunft oder Aliens auseinanderzusetzen, wagt Fraktal den Schritt ins Innere, ins kleinste aller Universen. Es geht nicht darum, neue Planeten zu entdecken, sondern neue Dimensionen in einer Realität, die wir täglich übersehen.

Doch die Expedition verläuft nicht wie geplant. Nach einer unvorhergesehenen Störung wird das Schiff schwer beschädigt und von seiner ursprünglichen Route abgebracht. Die Crew sieht sich mit einer Umgebung konfrontiert, die nicht nur physikalisch fremdartig ist, sondern auch das Verständnis von Zeit, Raum und Materie auf die Probe stellt.

Atmosphäre und Spannung

Die große Stärke von Fraktal – Verloren im Mikrokosmos liegt in seiner Atmosphäre. Schon die ersten Minuten des Hörspiels überzeugen durch eine dichte Klanglandschaft, die sofort fesselt. Der Soundtrack, komponiert von Produzent Peter Lerf, unterstützt das Geschehen mit orchestraler Wucht und elektronischen Akzenten. Das Ergebnis ist ein immersives Hörerlebnis, das in seiner Qualität an große Kino-Produktionen erinnert – nur eben fürs Ohr.

Die Soundeffekte sind stimmig und nie übertrieben. Besonders in den Szenen im Mikrokosmos, wenn physikalische Gesetze außer Kraft treten und die Crew mit unbekannten Phänomenen konfrontiert wird, entsteht eine fast psychedelische Stimmung. Die Angst vor dem Unbekannten, das Gefühl von Orientierungslosigkeit und die psychische Belastung der Charaktere werden durch Musik und Klangdesign stark unterstützt.

Charaktere mit Tiefe

Die Besatzung der Skyclad besteht aus einer Handvoll Charaktere, die alle ihre eigene Geschichte, Motivation und Konflikte mitbringen. Jason Jublonsky, gesprochen von Martin L. Schäfer, fungiert als Identifikationsfigur für den Hörer. Als Außenstehender, der zunächst wenig von der wissenschaftlichen Dimension versteht, stellt er viele Fragen, die auch dem Publikum durch den Kopf gehen. Seine journalistische Neugier, gepaart mit Skepsis, macht ihn zu einem glaubwürdigen Protagonisten.

Besonders hervorzuheben ist der Captain der Skyclad, Ian Pierce, gesprochen von Gordon Piedesack, der zwischen rationaler Führung und persönlicher Überforderung schwankt. Weitere Charaktere wie Commander Nicolas Spooner, die Ärztin Dr. Keppler und der Ingenieur Tomas Sabian bilden eine funktionierende, aber nicht konfliktfreie Einheit. Diese zwischenmenschlichen Spannungen tragen zur Dynamik bei und machen das Hörspiel vielschichtig.

Wissenschaft trifft Philosophie

Fraktal ist mehr als nur ein Science-Fiction-Abenteuer. Es stellt auch Fragen. Was bedeutet Realität, wenn unsere Wahrnehmung getäuscht werden kann? Wie verhalten sich Raum und Zeit im Mikrokosmos? Gibt es eine Grenze des Wissens? Die Reise der Skyclad wird zum Symbol für den menschlichen Forscherdrang, aber auch für dessen Grenzen.

Das Hörspiel traut sich, wissenschaftlich zu sein, ohne unverständlich zu werden. Begriffe wie Quantenfluktuation, Fraktale und Dimensionssprünge werden eingeführt, aber nicht als Selbstzweck. Sie dienen der Geschichte und regen zum Nachdenken an, ohne belehrend zu wirken.

Sprecherensemble und Produktion

Gigaphon hat bei der Produktion auf ein Sprecherensemble gesetzt, das in der deutschen Hörspielszene gut etabliert ist. Neben den genannten Sprechern stechen besonders Sven Mai als Schiffsarzt und Julia Casper als Pilotin hervor. Der Bordcomputer LUNA wird von Carmen Molinar gesprochen. Ihre ruhige Stimme steht im Kontrast zur bedrohlichen Umgebung und erinnert entfernt an HAL aus 2001: Odyssee im Weltraum – jedoch mit deutlich sympathischerem Ton.

Peter Lerf, der Produzent, hat Regie geführt, das Drehbuch geschrieben und den Soundtrack komponiert. Diese kreative Einheit sorgt für ein stimmiges Gesamtbild. Man merkt, dass die Produktion mit viel Leidenschaft und Liebe zum Detail entstanden ist.

Ein gelungener Auftakt

Fraktal – Verloren im Mikrokosmos ist der erste Teil einer mehrteiligen Serie. Weitere Episoden setzen die Reise der Skyclad fort. Doch schon diese erste Folge funktioniert als eigenständige Geschichte mit Spannung, Tiefe und einem offenen Ende, das neugierig macht.

Das Hörspiel dauert rund 70 Minuten. Die Länge ist ideal, um eine komplexe Handlung zu erzählen und dabei kompakt zu bleiben. Perfekt für den Arbeitsweg, zum Entspannen am Abend oder zum Eintauchen mit Kopfhörern.

Fazit

Wer Science-Fiction mag, aber genug von klassischen Weltraumschlachten und düsteren Zukunftsvisionen hat, sollte Fraktal eine Chance geben. Der Mikrokosmos als Schauplatz ist eine frische Idee. Die Umsetzung überzeugt mit hoher technischer Qualität, guten Sprechern und einer durchdachten Geschichte mit Tiefe.

Fraktal – Verloren im Mikrokosmos beweist, dass das Genre Hörspiel alles andere als veraltet ist. Es bietet ein modernes, akustisch packendes Erlebnis, das sich hinter keiner Filmproduktion verstecken muss.

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